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  • Autorenbildmichaelaschaad

Die Diagnose


An einem schönen, lauen Sommerabend trafen ein par Freundinnen und ich uns bei einem Abendessen. Wir haben grilliert, ein Gläschen Wein getrunken und über Gott und die Welt gesprochen. Es war ein lustiger und gemütlicher Abend. Am nächsten Tag kam eine der Freundinnen zu mir. Ich fand es eigenartig, da wir uns ja am Abend zuvor getroffen hatten. Ich bot ihr einen Milchkaffe an und als wir bei mir auf der Terrasse sassen, erzählte sie mir dann ganz gefasst, ja ich meine fast versteinert, dass sie am Tag zuvor die Diagnose Krebs erhalten habe und man ihre Lebenszeit mit Chemo nur noch ein wenig verlängern könne. Sprachlos schaute ich sie an. Es ging einige Sekunden (ich hatte das Gefühl es ginge eine Ewigkeit) bis ich reagieren konnte und sie umarmte. Ich musste weinen. Meine Freundin wollte nun mich trösten. Diese Situation war so absurd und ich schämte mich fast für meine Tränen. Endlich konnte sie dann auch weinen. Sie schluchzte und sagte, dass sie uns das Abendessen am Abend zuvor nicht verderben wollte. «Weisst du», sagte sie, «es ist schwierig den richtigen Zeitpunkt zu finden, um meinem Umfeld diese Nachricht zu überbringen. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen und habe mir zurecht gelegt, wie ich es dir sagen soll. Ich habe nicht die Kraft es allen Freundinnen zu sagen. Kannst du dies bitte für mich übernehmen?»

Nie habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie schwierig es ist die Todesdiagnose seinem Umfeld mitzuteilen. Erst durch meine Freundin wurde mir das bewusst. Meine Freundin war nicht verheiratet und hatte keine Geschwister. Sie musste ab dem ersten Tag mit dieser Diagnose also ganz allein damit fertig werden. Ich durfte sie während ihrer Krebserkrankung begleiten und habe von ihr gelernt, wie unterschiedlich ihre Bedürfnisse gegenüber meinen Bedürfnissen sind. Darum ist mir das Zuhören auch so wichtig. Unsere Freundschaft wurde in dieser sehr schweren Zeit, viel inniger und ich durfte Einblick haben in ihr tiefstes Seelenleben. Es war eine sehr schöne, aber auch traurige Zeit. Sie ist nun leider im Oktober 2019 gestorben. Ich vermisse sie!

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